3200 Höhenmeter auf Radstrecke
WZ-Bericht vom 17.08.2023; Bild und Text: Martin Müntzberger
Der Triathlon in Alpe d’Huez zählt zu den zehn härtesten Veranstaltungen der an entbehrungsreichen Dreikämpfen nicht unbedingt armen Ausdauerszene. 3200 Höhenmeter auf der Radstrecke, rund 350 auf der Laufrunde – wenig überraschend halten die Veranstalter dieses Spektakels in den französischen Alpen neben Fitness insbesondere Demut für eine passende Startvoraussetzung.
Test löst Zweifel aus
Den Wilhelmshavener Sven Vanderschot, grundsätzlich mit allen Ironman-Wassern gewaschen, beschlichen schon Tage vor dem Start Zweifel an der Sinnhaftigkeit seines Tuns. Denn als der 48-Jährige in der Vorbereitung auf das Rennen den letzten Teilabschnitt der Radstrecke zur Eingewöhnung in Angriff nahm, stellte sich Verzweiflung ein. „Ich bin komplett gestorben und habe überlegt abzusteigen. Es waren knapp 40 Grad, die Sonne knallte in jede Kehre und es gab überhaupt keinen Schatten. Und auch meine Übersetzung war falsch. Selbst mein kleinster Gang war noch zu groß.“ Währenddessen zog Ehefrau Melanie mit einer weiteren Mitstreiterin auf und davon. Vanderschot: „Ich war körperlich und mental fertig.“
„Mit Hügelchen vertraut“
Der Wilhelmshavener litt auch deshalb, weil in der Vorbereitung gerade Höhenmeter eine Rolle gespielt hatten. Im April leitete das Ehepaar ein zweiwöchiges Grundlagen-Trainingslager auf Mallorca; hinzu kamen bei verlängerten Wochenenden im Harz und in der Eifel sowie bei einem 70.3 in Luxemburg durch die Weinberge ein paar tausend weitere Höhenmeter. Vanderschot: „Mit Hügelchen hatten wir uns also vertraut gemacht.“
Die Lösung lieferte einer der zahlreichen Radläden am Tour de France-Standort. Der Wilhelmshavener ließ sich ein neues Ritzel mit 38 statt 30 Zähnen einbauen, um so auf eine Trittfrequenz von rund 70 Umdrehungen in der Minute zu kommen.
Dass aber längst nicht alles planbar ist, merkte der 48-Jährige dann am Wettkampfmorgen. Nach einem emotionalen Wasser-Einstieg vor einer imposanten Bergkulisse mit schneebedeckten Gipfeln („In diesem Augenblick habe ich realisiert, wo ich bin und musste die Tränen zurückhalten“), realisierte Vanderschot etwas anderes. Der Stausee bestach zwar durch kristallklares Wasser, war aber brutal kalt.
Und das hatte Folgen. Sven Vanderschot: „Melanie ist früher ins Wasser gegangen, um sich daran zu gewöhnen und hatte keine Probleme. Mir hat sich aber beim Start die Brust zusammengeschnürt. Ich konnte rund 400 Meter nur Brustschwimmen, und gefühlt alle sind über mich drüber geschwommen. Und die erste Triathlon-Disziplin ist normalerweise eine Stärke von mir. Aber spätestens da war mir klar, warum die Veranstalter Neoprenkappen und Wärmecreme empfohlen hatten.“
Endzeit spielt keine Rolle
Auf der Radstrecke ließen es die beiden TSR-Triathleten dann zunächst ruhig angehen. Sven Vanderschot: „Uns war die Zeit egal und wir wussten: Da kommt noch ein Lauf und der Tag ist noch lang. Deswegen haben wir die Landschaft gerade auf der ersten Flachstrecke genossen.“
Nach einem gemeinsamen Teilstück suchte sich dann jeder seinen Rhythmus. Vanderschot: „Wir wissen ja, welche Wattzahl wir treten können.“
Rückenschmerzen
Die Zurückhaltung hatte Erfolg. Zwar kämpften beide Wilhelmshavener mit Rückenschmerzen, die bei Melanie Vanderschot so schlimm warnen, dass sie sich in Alpe d’ Huez nur in die Wechselzone schleppen konnte, trotzdem konnten beide wieder Teilnehmer „einkassieren“, die sie zuvor noch überholt hatten. Vanderschot: „Ich habe einige gesehen, die abgestiegen sind, oder versucht haben, sich die Krämpfe aus den Beinen zu ziehen.“
Der abschließende 20 km-Lauf sollte dann eigentlich ein weiterer Genussbestandteil des Triathlons sein, doch die unbefestigten Trails und eine Flugzeug-Landebahn mit einem extremen Gefälle (Vanderschot: „Das war richtig übel. Viele sind da nur gegangen“) ließen das Bergpanorama schmerzhaft in den Hintergrund treten.
Eine Konsequenz hatte der Start für den Wilhelmshavener auf jeden Fall. „Die Tour de France sehe ich jetzt mit anderen Augen.“